„Es war ein organischer Prozess“ – Frieda über ihren Weg im HipHop

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Ende der 90er in Berlin-Kreuzberg: Graffiti an den Wänden, Rap aus den Boxen, Jugendzentren voller Beats, Bewegung und Begegnungen. Hier beginnt Friedas Weg in die Welt des Breakings. „Ich bin in Kreuzberg aufgewachsen und habe Ende der 90er angefangen, HipHop zu hören“, erzählt sie. Damals prägten Namen wie Kool Savas, Blumentopf oder Die Firma die Szene. „Ich war viel auf Jams und HipHop-Konzerten unterwegs – da habe ich zum ersten Mal Breaking gesehen.

Was mit Rap und ein paar Graffiti-Versuchen anfängt, wird schnell zum Lebensinhalt. Kreuzberg ist divers, laut, fordernd. Genau die richtige Schule für jemanden, der sich durchbeißen will. „Ich war oft jünger als die anderen und musste mich als junges Mädchen mit 15, 16 erst mal durchsetzen“, sagt Frieda. „Ich musste zeigen, dass ich dazugehören will, dass ich Breaking ernsthaft verfolge und nicht einfach wieder aufhöre.“ Diese frühen Jahre formen sie mit Disziplin, Fokus und Biss. „Ich habe gelernt, dass ich überall überzeugen kann, wenn ich mich auf meine Kunst konzentriere.“ Ob in Kreuzberger Jugendzentren oder später auf internationalen Bühnen – Frieda bringt ihre Energie mit.

Credit: JNY Photography

Keine Vorbilder, keine Anleitung: nur Leidenschaft
Den Moment, in dem Breaking zu ihrem Beruf wird, gab es eigentlich nie. „Es war ein organischer Prozess“, sagt sie. „Als ich angefangen habe, gab es kaum Karrieremöglichkeiten oder Role Models.“ Trotzdem unterrichtet sie früh, battelt, reist, judged. „Ich bin mit einer alleinerziehenden Mutter in Kreuzberg aufgewachsen. Finanziell war’s immer knapp. Breaking hat mir ermöglicht zu reisen und zu arbeiten, ohne Geld zu haben.“ Später studiert sie Sportwissenschaft in Köln. „2011, 2012 habe ich gemerkt: Ich will das beruflich machen – vielleicht nicht nur Breaking, aber Tanz allgemein.“ Heute arbeitet sie als Kulturmanagerin, Forscherin, Choreografin und Jurorin. „Ich habe mir meine Karriere divers aufgebaut. Ich kann sagen: Ich lebe von und mit dem Tanz.“

Ein Battle in Schweden, das alles veränderte
Eines ihrer prägendsten Erlebnisse: ein Battle in Schweden 2006 mit ihrer Crew Dirty Mamas. „Ich war verletzt und konnte nicht mittanzen. Da habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, auf den Körper zu hören. Mein Körper ist mein Kapital.“ Diese Erfahrung führt sie später zur Forschung und ins Tanztheater. „Ich wollte wissen: Wie kann ich mit Tanz arbeiten, ohne selbst zu tanzen?“ Und dann ein Höhepunkt: Als Jurorin für die Olympischen Spiele in Paris 2024 eingesetzt zu werden. „Das war eine riesige Anerkennung, nicht nur für meine tänzerische Expertise, sondern auch für meine Professionalität.“ Von Kreuzberg bis Olympia: ein Weg, der zeigt, wie weit Breaking führen kann.

Credit: Tina Kratochvil

Disziplin, Battles und Wissenschaft
Frieda bringt ihre Battlerfahrung mit ans Judges-Pult. „Ich habe großen Respekt vor allen Tänzer*innen, die sich auf diese Bühne trauen. Als Jurorin ist es mir wichtig, fair zu bewerten – ohne persönliche Präferenzen.“ Heute fühlt sie sich als erfahrene Judge bereit für jedes internationale Battle. „Ich habe mir über die Jahre die Kompetenz aufgebaut, um das mit Überzeugung zu machen.
Was aber schwerer war: ihr erstes Battle oder die Doktorarbeit? „Zu tausend Prozent die Doktorarbeit! Das ist ein unglaublich langer Prozess, voller Recherche und Arbeit.“

Kulturelles Erbe sichtbar machen
Frieda forscht zu Breaking und kulturellen Einflüssen und teilt ihr Wissen mit der Szene. „Der Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Szene ist für mich super wichtig“, sagt sie. „Ich will nicht nur für andere Wissenschaftler*innen schreiben, sondern für die Leute aus der Breaking-Szene.“ Überraschend war für sie, wie viele Bewegungen im Breaking eigentlich aus anderen Kulturen stammen. „Viele Steps haben Wurzeln in afro-diasporischen Bewegungskulturen. Afroamerikanisch, puerto-ricanisch, kubanisch. Das war mir anfangs gar nicht so sehr bewusst.
Mit @hiphopstudysunday teilt sie dieses Wissen auf Instagram. „Ich will zeigen, dass HipHop und Breaking relevante Kulturen sind – mit eigenem Erbe, Werten und Dynamiken und die akademische Forschung darüber zugänglich machen.“

Credit: JNY Photography

Frieda über die Szene in Marokko
Frieda hat einige Jahre  in Marokko gelebt, gearbeitet und geforscht. „Die Breaking-Szene dort ist jung, energetisch und hungrig. Es gibt weniger Möglichkeiten, aber so viel Power“, erzählt sie. „In Deutschland ist die Szene oft ruhiger, abgeklärter. In Marokko lassen sie alles auf der Tanzfläche.“ Mit dem Projekt “Dance Fusion Morocco”, das sie mit dem Goethe-Institut Marokko ins Leben rief, wollte sie Weiterbildung und Austausch schaffen. „Viele Tänzer*innen in Marokko sind talentiert, haben aber kaum Zugang zu Workshops,  Weiterbildungen oder Austausch mit internationalen Choreograf*innen. Mit Dance Fusion wollten wir verschiedene Perspektiven auf Tanz ermöglichen.

Zurück nach Deutschland bringt sie drei Dinge: Energie, Gelassenheit und Dankbarkeit. „Ich habe gelernt, wie privilegiert wir sind mit Infrastruktur, Reisefreiheit, Ressourcen. Und ich habe gelernt, spontaner zu sein. In Marokko funktioniert oft das, was man kurzfristig plant, am besten.

Tanz, Stolz, Crew
Mein Hass-Lieblings-Move? Swipes“, sagt Frieda. „Der Move sieht easy aus, ist aber eine krasse Körperverdrehung. Und danach tut mir immer der Rücken weh. Aber er ist einfach zu cool, um ihn zu lassen.
Wenn sie über den HipHop Ball spricht, spürt man ihren Stolz. „Ich freue mich sehr über die Nominierung. Es ist eine große Anerkennung, dass meine Arbeit als Tänzerin, Forscherin und Kulturarbeiterin gesehen wird.“ Dass Frauen in der Szene oft unsichtbar bleiben, macht die Auszeichnung umso bedeutender. „Ich freue mich, dass ich als Frau ausgezeichnet werde. Es zeigt, dass das, worauf ich hinarbeite, auch für andere Sinn ergibt.
Und wenn sie dort freestylt? „Dann mit allen!“, sagt sie. „Aber besonders gerne mit Nadja und Vartan. Vartan kennt mich, seit ich angefangen habe zu breaken, und mit Nadja habe ich vor fast 20 Jahren gemeinsam auf der Bühne des Battle of the Year Germany gestanden. Es wäre einfach schön, diesen Kreis zu schließen.


Frieda zeigt, dass HipHop mehr ist als Tanz – es ist Durchhaltevermögen, Wissen, Bewegung und Identität.
Und sie ist der Beweis, dass Breaking nicht nur Körperkunst ist, sondern eine ganze Lebenshaltung.

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